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Frau Leder, können Sie uns kurz beschreiben, wie das Wohnhaus «Kanzlei-Seen» funktioniert?

Es besteht aus 16 eher kleinen, loftartigen Wohnungen mit grosszügigem Bad und kleiner Küche. Wir haben viele Räume, die wir gemeinsam nutzen können, wie beispielsweise eine Gemeinschaftsküche mit Ess- und Wohnraum, eine Fitnessecke oder eine Bibliothek. Das neue, moderne Haus ist nach dem Minergie ECO-P-Standard erbaut und hat einen hohen Komfort und einen sehr grossen Garten. Eine Altersgrenze gibt es nicht mehr, auch Jüngere sind willkommen.

Gibt es Gründe für diese Aufhebung und welche Altersdurchmischung gibt es mittlerweile?
Wir sind kein Altersheim und wollen auch keines sein. Heute sind die Wohnenden 53 bis 83 Jahre alt, die meisten sind pensioniert oder stehen kurz davor.

«Ich bin wegen der Wohnform in die Kanzlei-Seen gezogen und habe es nie bereut!»

Susanna Leder, Baugenossenschaft Gesewo
Was gefällt Ihnen besonders gut am Clusterwohnen?

Vieles zu dürfen und wenig zu müssen. Zwar miete ich nur eine Wohnung, aber bewohnen darf ich ein ganzes Haus. Mir gefallen die gemeinsamen Aktivitäten, seien es Gartenarbeiten oder das Feiern von Festen. Es ist auch schön, wie wir gemeinsam schwierige Situationen meistern.

Möchten Sie uns von einer solchen Situation berichten?

Die Haussitzung von gestern hat lange gedauert, zu lange. Es gab Meinungsverschiedenheiten und es wurde heftig diskutiert. Beim anschliessenden Essen war die Stimmung dann aber wieder entspannt, alle haben sich über Speis und Trank gefreut und angeregt über dieses und jenes diskutiert.

Was denken Sie, ist wichtig, damit diese Wohnform funktionieren kann?

Geben und Nehmen, Toleranz und eine gewisse Grosszügigkeit. Es ist wichtig, andere Meinungen zu respektieren und es braucht den Willen, sich in eine Gemeinschaft einzufügen und zwischendurch auch einmal Unstimmigkeiten auszuhalten.

Mit welchen Problemen sind Sie am meisten konfrontiert?

Die Selbstverwaltung ist anspruchsvoll, erfordert Fachkenntnisse und ist arbeitsintensiv. Im Alltag und persönlichen Umgang können Zwischenmenschliches oder unterschiedliche Wertvorstellungen zu Diskussionen führen.


Einblick in einen privaten Wohn- und Essraum mit Küche.

«Zwar miete ich nur eine Wohnung, aber bewohnen darf ich ein ganzes Haus.»

Susanna Leder, Baugenossenschaft Gesewo
Gibt es einen Mediator oder eine Schlichtungsstelle, die bei der Lösungsfindung von Problemen zum Einsatz kommt?

Eine Schlichtungsstelle gibt es nicht. Der erste Lösungsversuch geschieht bilateral. Gelingt dies nicht, dann erfolgt der nächste Versuch anlässlich einer Haussitzung. Als weitere Instanz, die Hilfe bieten kann, gibt es die Fachstelle für Gemeinschaftsentwicklung bei der Gesewo.

Wie wird die Vermietung organisiert?

Die Vermietung ist eigentlich Bestandteil der Selbstverwaltung. Wir haben diese Aufgabe aber der Gesewo Geschäftsstelle übertragen und das entlastet uns sehr. Interessierte nehmen mit der Geschäftsstelle Kontakt auf und erhalten dann einen Besichtigungstermin. Bei der Besichtigung ist auch jemand von der Kanzlei anwesend, der vor allem über die Aspekte des Zusammenlebens Auskunft geben kann. Bei weiterem Interesse veranstalten wir ein Kennenlern-Forum – ein Treffen mit der interessierten Person von etwa einer Stunde, bei welchem alle Wohnenden teilnehmen. Anschliessend entscheidet die Gemeinschaft, ob sie ja oder nein empfehlen will, die letzte Entscheidung liegt bei der Geschäftsstelle.

Sie erwähnten vorher ein gemeinsames Essen, gibt es noch andere organisierte Treffpunkte oder Anlässe?

Institutionalisiert sind die monatlichen Haussitzungen mit anschliessendem gemeinsamem Essen. Zudem organisieren wir gemeinsame Essen an Feiertagen, wie Weihnachten, Ostern oder 1. August. Es gibt auch einige kurzfristig geplante und spontane Aktivitäten, diese können beispielsweise saisonbedingt sein, wie ein Risotto-Schmaus mit selbst gesuchten Pilzen.


In der Sitzecke am Cheminée, im gemeinsamen Wohn- und Essraum, wurde am 6. Januar der hausgemachte Dreikönigskuchen geteilt und der König/die Königin auserkoren.
Steht auch ein Mahlzeitendienst zur Verfügung oder wird dieser je nach Bedürfnis der einzelnen Bewohner*in in Anspruch genommen?

Die Nachbarschaftshilfe funktioniert im Notfall sehr gut. Bei länger dauernder Einschränkung wird Hilfe von aussen organisiert, dies oft mit der Unterstützung von anderen Wohnenden.

Was hat Ihrer persönlichen Meinung nach die Clusterwohnung für eine Bedeutung? War am Anfang eine gewisse Skepsis spürbar?
Die Skepsis gegenüber dem Clusterwohnen ist immer noch spürbar. Es kann für Interessenten schwierig sein, den Unterschied zwischen der bekannten Wohngemeinschaft und dem Clusterwohnen oder eben der Hausgemeinschaft zu spüren.

Möchten Sie zum Schluss dieses Interviews noch etwas anmerken?
Ich persönlich bin wegen dieser Wohnform in die Kanzlei-Seen gezogen und habe es nie bereut!


Der mit umlaufenden Balkonen gestaltete Bau hat 16 Wohneinheiten. Das ganze Haus ist durchgehend schwellen- und hindernisfrei. Zum Gebäude gehört ein grosser gepflegter Garten.
Dieses Interview ist im Genossenschafts-Magazin WohnZeit erschienen. Mehr zu innovativen Wohnformen in Zürich finden Sie im pdf des Magazins.
Website Kanzlei Seen