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Thomas, Du machst dich in der Siedlung Neuguet für Wildbienen stark. Wie kam es dazu?

Wildbienen faszinieren mich, weil sie so unscheinbar und selbstständig sind. Sie haben eine spannende Überlebensstruktur. Sie bestäuben wie andere Bienen auch Blumen, Obstbäume, Gemüse und vieles mehr. Ohne Bienen gäbe es keine Äpfel, Birnen, Kirschen oder Erdbeeren; aber auch kein Gemüse – wir müssten die Pizza ohne Tomatensauce essen. Es sei denn, wir machten es wie die Chinesen, die teilweise von Hand bestäuben. Das benötigt aber viel Zeit, wodurch die Lebensmittel teurer würden.

Welche Aufgabe erfüllen die Wildbienen in der Natur?

In der Natur gibt es keine direkten Aufgaben für die einzelnen Tiere und Pflanzen. Sie bilden
zusammen eine Harmonie, die nur funktioniert, wenn alles im Gleichgewicht ist. Auch Vögel,
Igel und Käfer sind für das Gleichgewicht nötig, um nur ein paar Beispiele zu nennen. Wir haben jetzt auch Asthaufen in der Siedlung, um Lebensraum für diese Tiere zu schaffen (Bericht S. 24). Und in einem Steinhaufen leben Eidechsen und vielleicht Blindschleichen. Diese sind mittlerweile sehr selten geworden.

Wie unterscheiden sich Wildbienen von Honigbienen?

Honigbienen bilden einen Völkerstaat. Sie haben Arbeiterinnen, Soldaten und eine Königin. Im Staat gibt es eine strenge Hierarchie. Die Honigbienen beschützen ihre Königin und verteidigen sie. Im Unterschied dazu sind Wildbienen Einzelgängerinnen. Sie haben keine Königin. Eine Wildbiene legt zehn Eier in ein Röhrchen in einem Bienenhäuschen. In den hintersten fünf Zellen entwickeln sich weiblichen Larven. Dazu kommen Pollen als Proviant. In den vorderen fünf Zellen entstehen Männchen. Diese schlüpfen im Frühling zuerst und warten draussen, bis die Weibchen schlüpfen. Nachdem sie das Weibchen befruchtet haben, sterben sie bald.


Ein Wildbienenhäuschen neben einem Asthaufen für Igel, Käfer und Eidechsen in der Siedlung Neuguet.

Was ist für das Überleben von Wildbienen wichtig?

Wildbienen brauchen einen trockenen Unterschlupf. In der Nacht, wenn es kalt und dunkel ist, oder wenn es regnet, gehen die Wildbienen dorthin. Bei uns in der Siedlung Neuguet haben wir dafür vier Bienenhäuschen aufgestellt. Ein Standort an einer wärmenden Hauswand wäre noch besser geeignet. Wildbienen finden sich sehr gut zurecht, wenn sie einen Platz für ihren Nachwuchs sowie genug Nahrung finden. Da Sie keinen grossen Flugradius haben, brauchen sie Nahrung, also Pollen, in der Nähe ihres Reviers.

Und welchen Nutzen bringt die neu gepflanzte Blumenwiese?

Nun, ein grüner «englischer Rasen» ist für die Wildbienen und andere Insekten eine Wüste. Es gibt keine Blumen, die sie dort anfliegen könnten und somit finden sie auch keine Nahrung. Darum spielt die Biodiversität eine grosse Rolle für die Erhaltung der verschiedensten Arten.

«Ohne Bienen gäbe es kein Gemüse – wir müssten die Pizza ohne Tomatensauce essen.»

Thomas Schreiber, SiKo Neuguet

Eine Wildbiene legt zehn Eier in ein Röhrchen in einem Bienenhäuschen. In den hintersten fünf Zellen entwickeln sich weiblichen Larven. Dazu kommen Pollen als Proviant. In den vorderen fünf Zellen entstehen Männchen.

Ist es nicht gefährlich, wenn es in der Nähe von Spielplätzen Wildbienenhäuschen gibt?

Nein, ganz und gar nicht. Wildbienen haben im Gegensatz zu den Honigbienen keine Königin, welche sie verteidigen müssen. Jedes Volk mit einer Königin (das gilt übrigens auch für Wespen), hat eine kleine Armee, welche die Königin beschützt. Und natürlich können auch Arbeiterinnen die
Königin verteidigen. Der Imker grenzt ein Bienenhaus darum immer sichtbar ab. Im Gegensatz
zu Wespen bezahlen Honigbienen einen Stich mit ihrem Leben. Stechen ist also nichts, was Bienen leichtsinnig machen. Die Weibchen bei den Mauerbienen (eine der ca. 600 verschiedenen heimischen Wildbienenarten) haben zwar einen kleinen,
weichen Stachel, aber sie zeigen keinerlei aggressives Verhalten. Ihre einzige Aufgabe ist es, für
Nachwuchs zu sorgen. Deshalb flüchten sie lieber,
als sich auf einen ungewissen Kampf einzulassen.

Wie können wir alle dazu beitragen, dass es wieder mehr Wildbienen gibt?

Das fängt schon im Blumenkistchen an. Verschiedene bunte Blumen sind eine tolle Nahrungsquelle
für Wildbienen. Dazu brauchen sie noch ein Bienenhäuschen oder einen anderen Unterschlupf. Wir können auf dem Balkon oder auf dem Gartensitzplatz eine Wohnumgebung für Wildbienen schaffen. Im Internet gibt es viele Tipps dazu.

 


Wildbienen bei der Paarung: Die Männchen schlüpfen im Frühling zuerst und warten draussen auf die Weibchen. Nachdem sie das Weibchen befruchtet haben, sterben sie bald.

Du hast dich bei der Fassadensanierung im Neuguet auch für die Montage von Nistkästen für Mauersegler eingesetzt. Was fasziniert dich an den Mauerseglern?

Ich bewundere diese Vögel, die keine normalen Vögel sind, sondern Segler! Sie kommen nie auf den Boden, schweben immer in der Luft, auch zum Schlafen. Es sind richtige Flugakrobaten. Jedes Jahr warte ich ungeduldig, bis die ersten Spyren eintreffen. Dann beginnt für mich der Sommer. Mit ihren Flugkünsten und ihrer enormen Geschwindigkeit, ihrem Auftreten in Schwärmen und ihrem hohen schrillen Ruf begeistern sie mich.

Sehr traurig ist es, dass diese Tiere vom Aussterben bedroht sind. Im Herbst ziehen sie tausende Kilometer weit in den Süden. Das ist ein gefährlicher Weg. Wenn sie dann nach der langen Reise gegen Ende April hierher zurückkommen, suchen sie nach ihren alten Schlupflöchern. Sie brüten jedes Jahr am gleichen Ort, auch ihr Nachwuchs brütet im nächsten Jahr wieder dort. Am liebsten schlüpfen sie in Hohlräume unter Ziegeln, Dachansätzen und Löchern in der Fassade. Diese Schlupflöcher müssen hoch oben sein, da sich die Mauersegler von dort aus in die Luft schwingen. Darum brauchen sie auch eine freie Flugbahn zum Unterschlupf. Natürlich sind sie weit oben auch besser vor Fressfeinden geschützt.

In den letzten Jahren verschwinden mehr und mehr der alten Häuser, in denen die Spyren gebrütet haben. Die Rückkehrer finden keinen geeigneten Unterschlupf mehr und die Brut fällt aus. Die Mauersegler ziehen ungern in neue Brutplätze um. Deswegen gibt es immer weniger dieser wunderbaren Segler, welche am Sommerhimmel nicht fehlen dürfen. So machen wir doch das Bestmögliche um mitzuhelfen, diese Vogelart zu schützen.


«Mauersegler kommen nie auf den Boden. Sie schweben immer in der Luft, auch zum Schlafen.»

Thomas Schreiber, SiKo Neuguet

Hat es dich gefreut, als die Mauersegler nach der Fassadensanierung in die Siedlung Neuguet zurückgekehrt sind?

Ja und wie! Ich war auch ziemlich erleichtert, dass es so schnell gegangen ist, mit der Montage der Nistkästen. Jetzt haben wir gute Chancen, dass auch in Zukunft Mauersegler in unserer Siedlung Neuguet brüten werden.

Dieses Interview ist im Genossenschafts-Magazin WohnZeit erschienen. Mehr zum Thema Biodiversität finden Sie im pdf des Magazins.