Als ich 1977 ins Technikum Winterthur eintrat, sah ich mich nach einer Wohnung in der Gegend um. Auf einem meiner Streifzüge fand ich schliesslich eine Wohnung in einer sehr interessanten
Siedlung, auf deren Flyer zu lesen war: «Stiftung Winterthur Versicherung, Generationen Dialog, mit 60 noch 20 meist gesunde Jahre vor sich.» Die Stiftung war bestrebt eine gesunde Durchmischung der Mieter zu haben (Student, Arzt, Paare, Familien, Ledige, Reichere, Ärmere, Jüngere, Ältere, etc.). Alle Wohnungen entsprachen dem heutigen Verständnis von Ü60. Die Leute sollten im Alter altersgerechte, bezahlbare Wohnmöglichkeiten im Quartier haben. Das Ganze wurde professionell begleitet und auch ausgewertet. Ich kenne also Ü60 seit über 40 Jahren.
Ü60 ist die Lösung für viele Probleme. Altersheime sind so teuer geworden, dass sie den Haushalt unserer Gesellschaft stark belasten. Darüber mag die Oberschicht klagen, denn sie bezahlt das mit den Steuern. Für die Mittelschicht ist es frustrierend zu sehen, wie sich auch grosse Vermögen in Luft auflösen, sobald man ein Altersheim betritt. Nach kurzer Zeit, wenn das Ersparte verbraucht ist, wird man abhängig vom Staat. Dadurch wird viel öffentliches Geld unnötig verbraucht. Geld, das dann oftmals für soziale Zwecke fehlt, was zu Lasten der Unterschicht geht.
Wie kamen Sie zu diesem Landbesitz?
Mein Grossvater, geb. 1894, verlor im Alter von 4 Jahren seinen Vater. Er wurde von seinem Götti, der in Obfelden einen Gasthof (Löwen) und Schlachthof mit Metzgerei hatte, aufgenommen
und später adoptiert. Mein Grossvater Emil, sehr fleissig und ehrgeizig, fühlte sich weder zum Wirt noch zum Metzger berufen. Er sah seine Zukunft in der Landwirtschaft. Er legte seinem Götti ein «Geschäftsmodell mit Business Plan» vor und riet ihm, Gasthof wie auch Schlachthof und Metzgerei zu verkaufen. Das Geld sollte für einen Bauernhof eingesetzt werden. Mein Grossvater konnte überzeugen. Und so zog er als 15-Jähriger mit Gotti und Götti nach Affoltern an den Schauenberg 61. Damals hiess das Gut noch „im Bergli“. Es war ein heruntergewirtschaftetes Anwesen. Die benachbarten Bauern hingegen waren mehrheitlich wohlhabend. Sie schätzten es, wenn mein Grossvater ihnen Arbeit abnahm, sei es beim Heuen, Obst pflücken, Ernte einfahren, etc. Oft liess er sich für seine Dienste mit Land bezahlen oder er kaufte mit dem erwirtschafteten Geld irgendwo wieder Land. Und so wurde der eigene Hof grösser und grösser.
Mein Grossvater begriff nicht, dass die Schweiz so viel Speck verzehrte und dennoch keine Schweine züchtete. Also baute er eine Schweinezucht auf. Schon bald zählte er 350 Schweine in seinem Stall und konnte damit Zürich gut versorgen. Damit machte er nun wirklich gut Kasse und konnte weiter Land erwerben. Sein Geschäftsmodell ging auf:
- Ein Bauernhof ausserhalb der Stadt Zürich, um auf günstigem Boden zu produzieren.
- Dennoch möglichst nahe der Stadt für einen guten Absatz mit höheren Preisen und kurzem Anfahrtsweg.
- Etwas produzieren, was die anderen nicht haben: Schweine.
- Der Götti konnte die Schweine im eigenen Betrieb schlachten.
- Das Schweinefutter, Küchenabfälle, holte er gratis in den grossen Hotels und Restaurants.
- Dabei konnte er ihnen auch gerade Fleisch verkaufen. Neben dem Schweinefleisch hatte er auch Kalb, Rind und Hühner zu verkaufen sowie Eier, Früchte, Gemüse und später auch Most und Honig.
- Alles aus einer Hand. Ohne Zwischenhandel. Und es gab keine Leerfahrten.
Ein sehr erfolgreicher Mann, mein Grossvater, der es mit Geist und viel Einsatz zu viel gebracht hat. Doch er zahlte einen hohen Preis. Mit 58 machte sein Herz nicht mehr mit. Er hatte sich überarbeitet. Mit 66 starb er. Das Land ging an seine 4 Nachkommen, ich bin einer der Enkel (insgesamt gab es 11 Enkel, 9 leben noch).