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Herr Rink, erst einmal vielen Dank für Ihr Engagement in unseren Siedlungen. Können Sie unseren Lesern etwas über Ihren Werdegang erzählen?

Ich bin gelernter Zierpflanzengärtner, auch Gewächshausgärtner genannt. Nach einer Weile zog es mich aber zum Landschaftsbau, wo ich mehr mit Gehölzen und Grünflächenbewirtschaftung zu tun hatte. Bevor ich zur BGH gestossen bin, habe ich als Ausbildner in einer Gärtnerei für Menschen mit einer Beeinträchtigung gearbeitet. Als ich vor 10 Jahren von der Stelle bei der BGH gehört habe, habe ich mich beworben, obwohl ich eher von einer anderen Fachrichtung kam. Seither konnte ich einige interessante Projekte realisieren. Bei der BGH gefällt mir nebst der fachlichen Betreuung der jungen Mitarbeiter die Dankbarkeit der Genossenschafter* innen, welche ich direkt erfahre.

Was ist Biodiversität?

Der Einklang von Pflanzen, Insekten und Bestäubern, der gesamte Komplex der Fauna und Flora sollte miteinander zusammenspielen. Biodiversität sorgt für ein in sich geschlossenes Ökosystem; wenn ein Tier fehlt, kann beispielsweise ein anderes leichter Überhand nehmen. Es ist heute schwierig, alles wieder herzurichten, was wir in den vergangenen Jahrzehnten verloren haben. Wir können aber erreichen, nicht noch mehr zu zerstören und das, was wir noch haben, zu erhalten. Man sollte daher versuchen, das Aussterben einzelner Insekten, welche in Symbiose mit verschiedenen Pflanzen leben, aufzuhalten und so nicht noch mehr von unserer ursprünglichen Biodiversität zu verlieren.


Blumenwiese in der Siedlung Neuguet.

Warum ist Vielfalt wichtig für uns Menschen?

Pflanzen nehmen CO2 auf und wandeln dieses bei der Photosynthese in Sauerstoff um. Je mehr Grünflächen nach Art der Biodiversität erhalten oder wieder geschaffen werden, desto besser kann der CO2-Anteil in unserer Umgebung ausgeglichen werden. Alles ist in einem Kreislauf miteinander verbunden. Durch das Aussterben von Insekten und Pflanzen wird der von der Natur gegebene Zyklus unterbrochen – was durch die fehlende Sauerstoffproduktion und fehlende Bestäuber dem Klima, der Nahrungskette und schlussendlich auch uns Menschen schadet.

Warum ist Biodiversität bedroht?

Unsere Umgebung ist einerseits durch das Zubauen der Landschaft und durch die konventionelle Landwirtschaft bedroht, und andererseits durch die Kultivierung von «falschen», nicht heimischen Pflanzen, welche für hier lebende Insekten nicht geeignet sind. Eine Modeströmung aus den 60erbis 70er-Jahren brachte uns Pflanzen aus Nordamerika, welche für unsere Gegebenheiten nicht geeignet waren. Oder es wurden einheimische Bäume abgeholzt und ungeeignete Gehölze gepflanzt, welche unserer Bodenbeschaffenheit und unserem Klima nicht gewachsen waren. Die einheimischen Tiere hatten keine Nahrungsgrundlage mehr. Als Beispiel seien etwa Bäume genannt, welche für unsere Hanglagen eine ungenügende Wurzelbildung aufweisen. Auch unsere heimischen Wiesenarten, wie etwa Moorlandschaften und Feuchtgebiete, hat man in grossem Mass trockengelegt und damit gesamte Ökosysteme mit ihrer Flora und Fauna vernichtet. Zu viele Flächen werden ersetzt und als Nutzfläche für die Nahrungsgrundlage der wachsenden Zahl an Menschen genutzt. Dadurch schrumpft ebenfalls die Fläche für Biodiversität.

«Alles ist in einem Kreislauf miteinander verbunden. Durch das Aussterben von Insekten und Pflanzen wird der von der Natur gegebene Zyklus unterbrochen – was durch die fehlende Sauerstoffproduktion und fehlende Bestäuber dem Klima, der Nahrungskette und schlussendlich auch uns Menschen schadet.»

Günter Rink, Gärtner, Baugenossenschaft Hagenbrünneli

Wie steht die Schweiz im Vergleich da?

Im Vergleich zu umliegenden Ländern tun wir einiges. Seit circa acht Jahren wächst das Bewusstsein für das Thema Biodiversität und es wird mehr darauf geachtet, unsere Flora und Fauna zu erhalten. Hochstammbäume werden anstelle von kleinen Fruchtbäumen wieder populärer. Und zwischen Feldern müssen neu Grünstreifen stehen gelassen werden.

Seit wann sind Sie mit dem Thema Biodiversität in Kontakt – haben Sie eine Weiterbildung zu diesem Thema besucht oder Fachleute beigezogen?

Das Interesse wurde schon bei meiner Ausbildung zum Gärtner geweckt! Ich habe mir vieles im Eigenstudium erarbeitet, habe Fachliteratur beigezogen und war oft in Kontakt mit Fachleuten, welche sich schon länger mit dem Thema auseinandergesetzt hatten – wie beispielsweise von Grün Stadt Zürich. Im Zusammenhang mit der Umstellung auf Biodiversität bei der BGH durfte ich auch mit Spezialisten der Hochschule Wädenswil zusammenarbeiten. Bei meiner Arbeit bei der BGH hat mich das Thema etwa ab dem Jahr 2013 beschäftigt. In der Siedlung Lerchenberg hatten wir damals mit ersten Blumenwiesen angefangen. Früher waren die Siedlungsumgebungen der Genossenschaft sehr intensiv in der Bewirtschaftung, was beim einen oder anderen Mitarbeiter die Freude an der Natur etwas gedämpft haben mag. Zudem waren die intensive Arbeit und der Einsatz von Fungiziden auch finanziell belastend. Ich wollte etwas für die Natur tun, es war mir ein Anliegen, mehr auf heimische Pflanzen zu setzen und die Insekten gleichzeitig zu unterstützen. Daneben sollten auch die Arbeitsgänge erleichtert werden und das Interesse an der Natur den Arbeitskollegen nähergebracht werden.


Pflanzenbeete in der Siedlung Neuguet, die von den Gärtnern der BGH nach den Grundsätzen der Biodiversität angelegt wurden.

Wie und wo wird das Thema Biodiversität in unseren Liegenschaften umgesetzt?

In der Siedlung Neuguet wurde die Sanierung der Fassade genutzt, um den gesamten Aussenbereich nach Grundsätzen der Biodiversität neu zu gestalten. Dieser Siedlung kommt gewissermassen eine Vorreiterrolle innerhalb der BGH zu. Hier wurden einheimische Wiesen, Blumen und Gehölze gepflanzt. Es gibt Schwalbennester, Igelhaufen, einen Aufschutt für Eidechsen und Blindschleichen. Und dank des Einsatzes von Thomas Schreiber wird auch für die Wildbienen gesorgt. Das Interview mit Thomas Schreiber finden Sie auf S. 11. In der Siedlung Staudenbühl werden dieses Jahr Blumenwiesen und Blumenrasen angesät sowie einheimische Bäume eingesetzt. Zudem starte ich hier mit einem Pilotprojekt mit dem Laub. Das Laub der Bäume wird nicht mehr weggebracht. Es werden Haufen gebildet und unter einzelnen Bäumen aufgeschichtet. Diese verwandeln sich zusammen mit zugeführten Holzspänen schneller zu Kompost, der als Dünger gebraucht werden kann. So erreichen wir ein natürliches Recycling. Das kommt auch der BGH zugute, da die Mitarbeitenden für die Entsorgung des Laubes weniger lange brauchen, wir an der Abfuhr sparen können und auch keinen zusätzlichen Dünger benötigen.

Wie kann ich als Genossenschafter*in etwas für die Artenvielfalt tun?

Als erstes bin ich dankbar für die Unterstützung und das Verständnis für Massnahmen, welche wir vom Gartenteam auf den Grünflächen der BGH umsetzen. Auf dem eigenen Balkon könnte man anstelle der nicht heimischen Geranien einheimische Stauden in den Balkonkisten pflanzen, davon gibt es einige, die lange blühen und dabei gut sind für Hummeln und andere Insekten. Man kann auch ein kleines Bienenhotel basteln, Moos trocknen oder aufgebohrte Hölzer in die Kisten legen und so ein Paradies für Insekten schaffen. Es gibt auch einheimische Pflanzen, welche uns unliebsame Insekten fernhalten, wie zum Beispiel die Tomatenstaude, welche Mücken vertreibt. Wer gerne erntet, kann auch einheimisches Obst in Kübeln wachsen lassen.

Möchten Sie uns sonst noch etwas mitteilen?

Ich freue mich, wenn Mietende etwas machen möchten und unsere Anliegen unterstützen. Viel falsch machen kann man dabei nicht und man darf sich gerne auch bei den Gärtnern der BGH erkundigen, ob und was man umsetzen könnte. Sowohl wir als auch die Natur sind dankbar, wenn kein Gift und keine Fungizide eingesetzt werden. Auch hier kann man sich gerne erkundigen, welche unschädlichen Alternativen es gibt.

Dieses Interview ist im Genossenschafts-Magazin WohnZeit erschienen. Mehr zum Thema Biodiversität finden Sie im pdf des Magazins.